Johann Strauß: Die Fledermaus (Theater Bremen 31.03.2018)

Zwischen Tüll und Tränen mit einer Prise Let’s Dance verlegt auf einen Tunten Ball, bei welchem alle Stocksteif in einer Reihe stehen ( Regie: Felix Rothenhäusler).Hat die Intendanz des Hauses das wirklich beim Regisseur so bestellt? Das, was geliefert wurde, war eine konzertante und in der Personenführung extrem statische Wiedergabe dieses wohl zu recht als Königin der Operette bezeichneten Werkes mit opernhaften Elementen. Die handelnden Personen- männlich und weiblich – dieses, von vertauschten Idenditäten und frivolen Erwartungen und Enttäuschungen geprägten Klassikers waren allesamt in knallbunte Abendkleider gehüllt (Elke von Sievers; die Solisten allerdings überwiegend Achselfrei, glücklicherweise dort aber rasiert), auch die Herren des Chors. Beim Prinzen Orlovsky und Dr. Falke durfte dann wohl  Conchita Wurst als Vorbild hinhalten. Das Bühnengeschehen bestand lediglich daraus, die Protagonisten in wechselnden Gruppen an der „Rampe“ zu platzieren. Dort standen sie steif, ohne vernehmbare Mimik und Gestik, sprachen ihren Text, sangen ihren Part und traten ab, was jeweils durch einen herunterfallenden Vorhang verhüllt wurde, um beim nächsten Hochziehen die nächste Szene mit, wie Schaufensterpuppen dastehenden Protagonisten, freizugeben. Dieser Vorgang wiederholte sich gefühlte 50mal und vermittelte ein nerviges, geradezu (wohl unfreiwillig) hektisches Bühnengeschehen. Verstärkt wurde dies durch 4 riesige lilafarbene Taftvorhänge, die, jeweils unterschiedlich gerafft, ständig heruntergelassen und wieder angehoben wurden (Bühne: Katharina Pia Schütz). Unter den Protagonisten kam etwas mehr Bewegung auf, als der Gefängniswärter Frosch die Bühne betrat, allerdings in einer nicht so erwarteten Form (Hauke Heumann). Wird diese Rolle ganz überwiegend von mehr oder weniger bekannten Künstlern fantasievoll und mit gekonnten, humoristischen Einlagen gespielt und improvisiert, war hier der Frosch lediglich als tumber und schwerfälliger Trottel dargestellt, der ebenfalls wie angenagelt und aufgereiht an der Rampe stand; allerdings in 2 Szenen zu einem unerhörten Temperamentsausbruch fähig war, als er beim berühmten Zwischenspiel des Orchesters minutenlang in seinem leuchtend blauen Kleid  amateurhafte Pirouetten drehte und dann später mit seinem Gefängnisdirektor noch einen Walzer zu tanzen versuchte. Das war an Peinlichkeit nicht zu überbieten! Dass das der Regisseur zugelassen hat!

Fazit: Von ernsthafter Regie keine Spur. Vielmehr eine konzertante Aufführung mit dem nervigen Versuch, dies durch nichtssagende Anreicherungen etwas aufzulockern. Wenn eine Regie schon zu glauben scheint, eine „Fledermaus“ wie einen „erstarrten Tuntenball“ zu inszenieren, dann hätte man sich in diesem Haus, das weit über Bremen hinaus einen guten Ruf hat, für eine „echte“ konzerte Aufführung entscheiden sollen. Man hätte sich das teure Regieteam sparen können.

Da sah es musikalisch ganz anders aus.

Nach dem grandiosen Dirigat der „Lady Macbeth von Mzensk“ war man gespannt, wie Yoel Gamzou sich der leichteren Muse annimmt. Die Ouvertüre und das spätere Vorspiel zum 3. Akt klangen sehr prägnant ausgeformt und in der Ouvertüre an den entprechenden Stellen in schön getragenen Tempi, aber die wienerische Leichtigkeit fehlte. Das fehlte auch der Begleitung einzelner Instrumente in der Interaktion mit den Sängern. Die Spannung ging hier teilweise verloren und wirkte etwas zu „schwergängig“ . Insgesamt war das Orchester jedoch beeindruckend. Der Chor des Hauses sang wie immer grandios.

Birger Radde, im roten schulterfreien Kleid, klang zu Beginn stellenweise weniger charmant, war dann in den dramatischen Sequenzen des dritten Aktes dafür ungemein bezwingend. Patricia Andress war mit ihrem runden, volltönenden Sopran und ihrem graziösen Stimmklang eine umwerfende Rosalinde. Marysol Schalit war als Adele schlichtweg atemberaubend. Grandios, mit welcher Präzision sie die Koloraturen ausformte und dann noch ihr charmanter Stimmklang, nahezu unschlagbar. Ulrike Meyer als Prinz Orlofsky (mit Bart) wirkte mit ihrem aufgesetzten Akzent, als wäre „er“ einem alten Agentenfilm entsprungen. Daraus hätte (die Regie) mehr machen können. Gesanglich und mit ihrem trockenen Humor wirkte sie überzeugend. Hyonjong Kim als Alfred war mit seinem lyrischen, gut plazierten Tenor mit müheloser Höhe grandios. Marian Müller (im türkisfarbenen Kleid, mit Bart) in der Rolle des Dr. Falke war, dank seines eleganten Baritonklanges und seiner geschmackvollen Phrasierung, einfach hervorragend und neben den zwei Damen (Rosalinde, Adele) einer der Höhepunkte des Abends. Wolfgang von Borries (im zartrosa Kleid) gelang als Dr. Blind eine gelungene Rollenumsetzung. Iryna Dziashko bestach mit ihrem natürlich wirkenden Charme als Ida. Daniel Ratchev überzeugte als Frank. Wie schon eingangs erwähnt, war Hauke Neumann als Gefängniswäter indiskutabel, was sicherlich nicht an seinen schauspielerischen Fähigkeiten lag, sondern am Unvermögen der Regie. Hier wurde eine echte Chance vertan, doch noch etwas echten Humor in die mißlungene Inszenierung zu bringen. Resümee: Alles, was auf der Bühne und im Orchestergraben zu hören war, war, mit kleinen Schönheitsfehlern sehr gelungen. Alles andere war indiskutabel, was auch für den Souffleur galt, der deutlich bis ins Parkett zu hören war und teilweise lauter war als die Protagonisten: Ärgerlich und sehr störend!

Sven Godenrath, Hamburg

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