Richard Strauss: Salome (Hamburgische Staatsoper 29.10.2023)

Dmitri Tcherniakov lässt seine Salome in einem ähnlichen Ambiente stattfinden, in welchem er auch schon seine Hamburger Elektra ansiedelte. Apartes, großbürgerliches Wohndekor und eine Festgesellschaft (Laut Regie: Herodes Geburtstag) nur dass bei dieser Inszenierung das „Gänsehautfeeling“, das man bei einer werkgetreuen Inszenierung hat und seit der Uraufführung 1905 bis heute anhält, nahezu ausfällt. Narraboth und Jochanaan überleben und der Schleiertanz findet nicht statt. Und wenn man bedenkt, dass sich Jochanaan eigentlich in einer dunklen Gruft befindet als Salome beginnt, ihn zu begehren und auch während  seiner Enthauptung die ganze Zeit an der Stirnseite der Geburtstagstafel buchlesend sitzt und er, während Salome im Finale davon singt, den enthaupteten Kopf des Propheten geküsst zu haben, dieser dann mittendrin den Tisch verläßt, um nach rechts in einen Nebenraum abzugehen, dann stellt sich schon die Frage, was sich der Regisseur dabei gedacht hat. Ihm scheint offensichtlich auch entgangen zu sein, dass Strauss all diese Originalsequenzen mit einer kühnen und hochdramatischen Instrumentierung stimmungsmäßig untermalt hat, diese aber in ihre Wirkung völlig verfehlt, wenn das, was auf der Bühne wirklich geschieht, so weitgehe vom Libretto abweicht. Dafür werden Herodes und Herodias von den gleichen Sängern gesungen die in der Elektra auch schon Klytämnestra und Aegisth sangen, um hier die Ähnlichkeiten beider Werke besser herauszuarbeiten. Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian gibt die Salome mit großer, opulenter, überwältigender Stimme, leider nur findet sie zum  Ende ihrer Rolle bei „Ich habe deinen Mund geküßt“ nicht den richtigen, erschaudernden Tonfall, wie es zum Beispiel 2022 in Lübeck  Evmorfia Metaxaki und 2023 in Berlin an der DO Vida Mikneviciute  (In der Simone Young Ära einer der tragenden Stützen der Hamburgischen Staatsoper) gelang. Asmik Grigorian wurde 2018 zu Recht mit ihrer Salome bei den Salzburger Festspielen zu einem neuen Star am Opernhimmel. Die damalige Aufführung war zwar auch recht eigenwillig, aber doch ziemlich werkgetreu, wobei Asmik Grigorian als Salome viel dramatischer wirkte, als in der Hamburger Produktion, was beweist, dass eine Inszenierung doch erheblichen Einfluss darauf hat, wie gesangliche Leistungen erlebt werden. Frau Grigorian ist eine Ausnahmesängerin, die der Verfasser besonders im italienischen Fach schätzt und es ist zu hoffen dass sie weiterhin der Staatsoper verbunden bleibt.  Violeta Urmana bot eine charakteristisch großartig ausgedeutete Herodias, wobei sie gesanglich doch etwas intensiver hätte agieren können. John Daszak beeindruckte mit seinem hellen, gut geführten Tenor als Herodes, wobei er doch mitunter kleine Probleme mit der Höhe hatte. Kyle Ketelsen gab leider einen eher weniger dramatisch mitreißenden Jochanaan; hier hätte sich der Verfasser mehr vokale Opulenz gewünscht.  Jana Kurucova begeisterte als Page und Oleksiy Palchikov gab einen berührenden Narraboth. Sehr beeindruckend auch James Kryshak, Florian Panzieri, Daniel Kluge, Andrew Dickinson und Hubert Kowalczyk in den Rollen der 5 Juden. Alexander Roslavets und Nicholas Mogg als Nazarener, ebenso wie David Minseok Kang und Karl Huml als Soldaten runden dieses treffliche Ensemble perfekt ab. Das Philharmonische Orchester Hamburg unter der Leitung von Kent Nagano sorgten für einen feinsinnigen, aber auch spannungsgeladenen, opulenten Klangteppich. Musikalisch ist die Neuproduktion sehr gelungen.                                     
 
Sven Godenrath, Hamburg
 

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