Nach einem kurzen informativen Vorgespräch rechnete der Verfasser an diesem späten Nachmittag mit dem „schlimmsten“. Er wurde hingegen mehr als angenehm überrascht. Den Anfang machte der Bassbariton Phillipp Reimer. Interessanter Typ, toller Ausstrahlung und auch eine interessante Stimme mit einem persönlichen Klangcharakter und einer guten Schallkraft. Er sang aus der Kantate 152 „Tritt auf die Glaubensbahn“. Auch wenn er in den Verzierungen noch nicht ganz so sicher war, so hatte was die dynamischen Abstufungen in der Interpretation dieser Arie angelangt, manchem Tonträgerinterpreten etwas voraus. Er gestaltete die Arie und war gut, was die dynamischen Abstufungen anbelangt. Hier klang nicht alles gleich, hier wurde differenziert bei der Textausdeutung. Wenn sich diese Stimme so weiter entwickelten sollte, wie es der Verfasser vermutet und die Anlagen sind da, sollten er den Weg einer stimmlichen Ausbildung, nicht nur beschränkt aus dieses Sujet unbedingt weiterverfolgen. Es folgte Irina Habermeier. Beim „Et Exultavit“ aus dem Magnificat von Johann Sebastian Bach bleibt zu vermerken, das auch wenn die Höhe noch nicht ganz so sicher erreicht wurde, so besitzt diese Stimme schöne tiefere Lage auf der man aufbauen sollte. Die Koloraturen könnten noch etwas prägnanter ausgeformt werden. Bei „Autumn leaves“ von J. Kosma kam die charakteristische Stimmfarbe besser zur Geltung und das Lied wurde gefühlvoll gesungen, lediglich in der Melodieführung gab es ein paar kleine Probleme. Songzheqi Yang sang dann das „Quia Respexit“ aus dem Magnicat von Johann Sebastian Bach. Sie formte die Arie mit einer schöne Klangfarbe, einer gute Höhe gut aus. An den Mond von Franz Schubert bestach durch seine Schlichtheit in der Interpretation. Das „Wanderlied“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy hingegen sang sie ausdrucksvoll, setzte dramatische Akzente, wählte eine andere Klangfarbe als für Schubert und die Stimme bekam in der Höhe einen silbrigen Schimmer. Das „Schwanenlied“ von Fanny Hensel formte sie einfühlsam, mit einem individuellen Tonfall und ausdrucksvoll aus. Bei „Meine Lippen die küssen so heiß war sie leider etwas überfordert gewesen. Operette ist mit das schwierigste was es gib, weil es so leicht klingt. Aber gerade dieses Leicht erklingen lassen setzt eine jahrelange Erfahrung voraus. Viele bekannte Opernsänger sind an der vermeintlich leichten Operette gescheitert, weil sie diese zu leicht nahmen. Zum Ende krönte sie diese Arie dann mit einem wunderschönen silbrigen Schlußton. Nicolas Dreessen sang dann den Alabama-Song, aus Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Die Werke von Kurt Weill setzten Lebenserfahrung voraus, hier kommt es weniger auf eine klangschöne Ausformung an, als vielmehr auf eine dramatisch intensive Interpertation, auch wenn der eine oder andere Ton etwas rauer klingt. Zu den wichtigsten Weill Interpretinnen zählen nach Ansicht des Verfasser Lotte Lenya, Milva (unvergleichlich in den 7 Todsünden der Kleinbürger), Teresas Stratas, Catherine Malfitano und Ute Lemper, die Jazzsängerin Dee Dee Bridgewater hat leider bei ihrem Hamburger Weillabend von Weill nicht sehr viel übriggelassen. Wann immer man Weill singt, kommt es auf die Expressivität und die Eloquenz im gesanglichen Ausdruck an, dieses muß an erster Stelle stehen, alles andere kommt dann. Etliche bekannt Jazz, Pop und Opernsänger sind an Weill kläglich gescheitert, weil sie dieses nicht beachtet haben. Es gab in diesem Vortrag einige schöne Momente, und wundervolle gefühlvoll geflutete Töne im Piano, aber es fehlte die Eloquenz im Ausdruck und ein wenig an der rhythmischen Prägnanz. Lara Hüsges sang von Felix Mendelssohn-Bartholdy „Die Liebende schreibt, ausdrucksvoll, sie setzte dramatische Akzente , formte das ganze charmant aus und die Stimme besitzt eine silbrig schimmernde Höhe. Das „Quando m’en vo“ aus Puccinis La Boheme wurde charmant, mit Witz, gut ausgeformt und war stimmig in den dynamischen Abstufungen. Dann folgte der Höhepunkt des später Nachmittags, mit einem blauen Jeanskleid verstand es Marie Krawietz sich geschickt vor dem Klavier in Szene zu setzen, sie kam nicht einfach nur nach vorn, sie trat auf und bestach schon in den ersten Sekunde mit ihrem natürlichen Charme und ihrer Ausstrahlung. Zu Beginn sang sie „Still Hurting“ aus The last five years von J. R. Brown. In ihrer Stimme schwang dabei ein lasziver Jazzton mit, dann dieses sinnliche warme Stimmtimbre, diese gefühlvolle Ausformung und auch die Art wie sie dieses Lied nicht nur stimmlich sondern auch darstellerisch gestaltete, großartig. Es folgte „Gretchen am Spinnrade „von Franz Schubert, mit einer satten vollen Stimme großartig in den dynamischen Abstufungen und mit den Stilelementen der klassischen Musik grandios ausgeformt. Danach gab es von J. C. Jobin „Dindi“ begleitet von Zyunzo Gracia (tolle Ausstrahlung, großartig begleitet, er setzte die Musik großartig in Szene, sein Spiel einfach großartig und dennoch trug er sie musikalisch auf Händen durch dieses Musikstück, hier erlebt man, was geschehen kann wenn die Chemie zwischen zwei Künstlern zu hundertprozent stimmig ist) Wenn beide zusammen ein Programm bestehend aus klassischem Lied, Jazzdarts und Musical auf die Beine stellen sollte, dann sollte ein Erfolg nicht lange auf sich warten lassen. Die große Sängerin die es Verstand sowohl für den Jazz, wie auch für die Oper den richtigen Stimmklang, die richtige Technik zu finden war Eileen Farrell, in ihre Nähe kam danach noch Renee Fleming, sie jedoch übertrifft Renee Fleming noch, da sie nicht nur ungefähr, sondern exakt den richtigen Tonfall findet und die richtige Gesangstechnik für beide Sujets anwenden kann, das ist ganz große Kunst. Sie sang, sie gestaltet, flirtete nebenbei noch mit dem Pianisten und besitzt ein großartiges Gespür die Stimmungen in einem Musikstück auf den Punk zu bringen. Abschließend „Les chemins de L’amour“ von Francis Poulenc und auch hier gelang ihr eine großartige, ausdrucksvolle Interpretation. Nach der Pause sang Verena Brune „Kennst du das Land..“ von Franz Schubert, ausdrucksvoll gesungen aber der Stimmklang harmonierte nicht mit dem Lied. Bei der Nixe Binsefuß gelang es ihr, mit ihrem charakteristischem Stimmtimbre und ihr interpretatorisches Gespür diesem Lied einen modernen Klangcharakter zu verleihen, hier kam es weniger auf Wohlklang sondern auf Interpretation an, eine der großen stärken dieser jungen Dame, was sie kurz darauf auch mit einer berührenden Interpretation von „Mit meinem Zeigefinger…/Schlaf, Kind… aus den Kinderliedern von Aribert Reimann bewieß. ‚Hier war sie musikalisch voll in ihrem Element, und in den Repertoire angekommen, das exakt auf ihre Stimme zugeschnitten ist, eine großartige ausdrucksvolle Interpretation. Tjark Pinne folgte dann mit Fürchte nicht, ich bin bei dir“ aus den kleinen Konzerten von Heinrich Schütz und wurde dabei von seinem Duettpartner Simon Obermeier (Tenor) beinahe ausgesungen. die stimmliche Balance in den Duettpassagen war optimal, beide Stimmen harmonierten hervorragend mit einander. Tjark Pinne besitzt einen klangschönen Bariton mit eine eher eingeschränkten Schallkraft. “ Der Fischer“ von Franz Schubert gelang da schon besser und wurde mit sehr viel Charme und Wärme vorgetragen, gleiches gilt auch für „Siehe, siehe, ich komme / Starkes Lieben Kantate 182 von Johann Sebastian Bach. Seine gestalterischen Fähigkeiten und das er in der Lage ist seiner Stimme auch eine gewisse dramatische Intensität zu verleihen bewies er dann mit dem „Erlkönig“ von Carl Loewe. Ausdrucksvoll gesungen, wunderbar in den dynamischen Abstufungen und mit viel Charme präsentiert. Als letztes dann ein weiterer gesanglicher Höhepunkt des später Nachmittags der Tenor Simon Obermeier, tolle Erscheinung, großartige Präsenz, auch er verstand es nicht einfach nur nach vorn zu kommen auch hier kann man von einem Auftritt reden. Er begann mit „Der Mensch ist…/Jesu beuge doch mein Herz aus der Kantate 47 von Johann Sebastian Bach, prägnant in der Textausdeutung, trifft exakt den richtigen Tonfall, schallkräftige Stimme, großartig im gesanglichen Ausdruck, herausragend in den dynamischen Abstufungen. Auch wenn den Koloraturen vielleicht noch ein Quentchen an technischen Finish fehlen, so wurden diese Eloquent ausgeformt und das ist, was in heute über 90 Prozent aller in diesem Sujet tätigen Musiker anhebt. Sein Gesangsvortrag ist mit Leben erfüllt, enthält die nötige Innenspannung, die Eloquenz im Ausdruck, hier wird nicht einfach irgendetwas spannungslos und ohne über den textlichen Inhalt nachzudenken herunter gesungen, hier wird die Musik lebendig, hier wird ausgeformt, interpretiert, mit dem richtigen Gespür ausgeformt, mit einem Gefühl belebt, das den Zuhörer erreicht, das ihn berührt, eine der besten Leistungen die der Verfasser in den letzte Jahren auch auf modernen Tonträgern bisher zu hören bekam. Es folgte „Gott sprach /Rollend in schäumenden Wellen. Auch hier wiederum ausdrucksvoll und fesselnd Interpretiert, herrlich in den dynamischen Abstufungen, mitreißend in der dezidierten Textausformung, großartig im setzen von dramatischen Akzenten. So muß diese Musik gesungen werden, so kann man Menschen für diese Musik begeistern, denn nur so wird sie ein Zukunft haben.- Zum Abschluß das „Chanson A boire“ aus Don Quichotte a Dulcinée von Maurice Ravel. Auch hier wiederum eine mitreißende, spannungsgeladene Interpretation, mit sehr viel Charme präsentiert, herrlich in den dynamischen Abstufungen. Auch hier könnte sich, wenn alles mit richtigen Dingen zu gehen sollte, eine ganz große Karriere nicht nur auf Kirchenkonzerte beschränkt, sondern auch auf der Konzertbühne. Der Verfasser wüßte momentan kaum einen Tenor, der in der Lage ist diese Musik auf der Gesangsebene so spannungsgeladen zu verkaufen. Die letzten die es konnten waren wahrscheinlich Karl Erb und Peter Schreier, wenn nur die Stimme etwas mehr Farbe gehabt hätte und das ist genau das, was er Peter Schreier voraus hat, eine individuellen Klangfarbe. Die jungen Künstler wurden von Irmgard Treutler hervorragend am Klavier begleitet. Sie baute auf, nahm ihnen die Nervosität und verstand es ihnen musikalisch zu helfen, in dem sie sie ohne sich je in den Vordergrund zu spielen, für jedes Musikstück und jeden
Künstler einen einfühlsamen, individuellen Klang und das richtige Tempi fand. Auch das ist eine ganz große Kunst, die leider nicht jeder an der HfMT begleitende Pianist versteht.
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